Asche zu Asche. Erde zu Erde. Trauer zu Trost.

 

„Asche zu Asche. Erde zu Erde.“ Wir kennen diese Worte als uralte Bestattungsformel. Ich stolpere darüber auf meiner Recherche zum Thema Trost. Trauer und Trost werden oft in einem Atemzug genannt. Ich hebe sie auf, die Formel, betrachte sie näher, in der Trauerbegleitung erfahre ich tiefere Hintergründe. Gleich mehr dazu.

 

Nicht immer ist Gevatter Tod der Bad Boy, der Auslöser für Schmerz, Trauer und Kummer.

 

Menschen scheitern, Menschen verlieren, Menschen haben Pech. Pläne lassen sich nicht in die Tat umsetzen, Hoffnungen zerplatzen wie Seifenblasen an einem Gartenzaun, Wünsche bleiben unerfüllt. Der Traumprinz entpuppt sich als miese Ratte, die Prinzessin als aufmerksamkeitsverwöhnte Göre. Manchmal liegt nur wenig zwischen Glück und Unglück, zwischen Gelingen und Scheitern, zwischen Erneuerung und Verlust.

 

Trauer, Kummer und Unglück sind weit entfernt von unseren gesellschaftlichen Idealbildern. Die glückliche, gesunde Familie, der erfolgreiche Unternehmer, die perfekte und beliebte Working-Mum. Diese Ideale lachen uns aus Magazinen, Plakatwänden, Computer, Fernseher, dem Smartphone entgegen. Traurige Gesichter, gebückte Haltung, fahler Teint, Tränen?? Nein! O je! Es wird verdrängt, verbannt, verschwiegen.

 

Es gibt Menschen, die sind für die seelische Verfassung ihrer Mitmenschen empfänglich. Durch das Leid, kommen sie mit den eigenen Ängsten in Berührung. Vor Krankheit, vor Tod, vor Verlust, vor Niederlage.

 

Trauer auszuhalten beinhaltet die eigene Ohnmacht anzunehmen, sich Hilflosigkeit, Sprachlosigkeit und intensive Gefühle einzugestehen. Ein einfaches Zugehen, ein ehrliches „Ich bin da“ kann einen zarten Hoffnungsstrahl in die dunklen Abgründe der Traurigkeit werfen.

 

Nicht jeder hat das Glück wohlwollende und aufrichtige Menschen zur Stelle zu haben. Menschen, die in der Lage sind Trost zu spenden, die innere Festigkeit und Ermutigung mitbringen, die wissen, wann es Zeit ist zu schweigen, zu sprechen und gegebenenfalls für Ablenkung zu sorgen. Menschen, denen Tränen nicht fremd sind.

 

Jeder Mensch leidet anders, jeder reagiert anders und daher braucht jeder Mensch im Kummer anderen Trost. Trost und Trauer sind wie Geschwister.

 

„Trauer ist das Geschehenlassen des Schmerzes angesichts von Zerstörung und Ende.“ Christine Li, Ärztin für chinesische Medizin und Ulja Krautwald, Autorin und Soziologin widmen in ihrem Buch „Der Weg der Kaiserin“ ein ganzes Kapitel dem Thema Abschied und Befreiung.

 

Die Autorinnen erklären: „So wie der Tod zum Leben gehört, so ist die ausreichende Trauer Voraussetzung für jeden Neubeginn. Trauer ist nötig, um sich zu verabschieden, um zu realisieren, ein geliebter Mensch lebt nicht mehr, dieser Mann wird mich nie mehr küssen, dieses Projekt wird nie verwirklicht.  Zur tiefen Trauer kann das Gefühl gehören, in einem gläsernen Palast zu sitzen. Alles erscheint eiskalt und dabei kristallklar. Man kann sich nicht bewegen, während ringsherum das Leben tobt. Im Inneren des Palastes gibt es keine Wärme und keine Herzlichkeit, sondern nur das Gefühl von Traurigkeit und Hoffnungslosigkeit.“

 

„Wer sich der Trauer verschließt, isoliert sich von einem Teil der tiefsten menschlichen Gefühle und wird hart und leblos“, dessen sind sich die beiden Frauen gewiss.

 

Um weich, sanft und lebendig zu bleiben, kann es helfen zu trauen und Trost zu erfahren. Trost wird allgemein beschrieben als zwischenmenschliche Zuwendung an jemanden der trauert oder Schmerz zu ertragen hat. Worte, Gesten, Berührungen, sie alle können die seelische Verfassung stärken und den Mitmenschen spüren lassen, dass er nicht alleine ist.

 

Psychotherapeut und Trauerspezialist Roland Kachler hat sich diesem Thema zugewendet. Er versteht es Angehörigen Trost zu spenden.

 

„Der Verstorbene hat mit seiner Energie, mit seinem Leben, seinen Gedanken und Gefühlen Spuren im Energiemuster des Universums hinterlassen. Er ist somit aufgehoben im Energiemuster des Universums und ist unauslöschlich Teil des Ganzen, mit dem wir als Hinterbliebene ebenfalls verbunden sind“, erzählt Kachler. Der Experte empfiehlt auch den Kontakt zur Natur.

 

„Asche zu Asche. Erde zu Erde.“ Hinter dieser uralten Bestattungsformel steckt möglicherweise das Bild vom Übergang in die Weite und Tiefe der Natur. Diese Vorstellung spendet Trauernden Trost und Kraft, den so können sie in der Natur mit dem geliebten Wesen verbunden sein.

 

Ich erinnere mich ans Cape Reinga, der Spitze der neuseeländischen Nordinsel. Dieser Ort ist den Maori heilig, von da aus reisen, so glauben die Maori, die Seelen der verstorbenen Ahnen zurück ins Paradies. Ein beeindruckender, magischer Ort. So wirkt er auf mich. Gänsehaut pur. Der Blick in die unendliche Weite des Ozeans. Wasser. Wellen. Wasser und nochmals Wasser. An einem Platz wie diesem, vermag ich mir vorzustellen, das auch meine Asche, mein Geist, meine Seele eines Tages der Erde, dem Wasser, den Gezeiten übergeben wird.

 

Nicht jeder hat das Glück, treue Gefährten zur Seite zu haben.

Nicht jeder hat das Glück, das Worte des Trostes sein Ohr erreichen.

 

Hier kann die Natur das Gefühl geben, nicht alleine zu sein. Ein Spaziergang im Wald, die Besteigung eines Berggipfels, der Blick in die Weite des Ozeans. Der Wind streicht über die Haut, der Sand kitzelt die Fußsohlen, eine Ameise bahnt sich ihren Weg, die Sonne spendet Wärme und Geborgenheit, die Melodie der Vögel und das Säuseln der Brandung bahnt sich den Weg in die Gehörgänge. Das Leben geht weiter. Das Leben tobt. Zerstörung, Erneuerung, flüchtige Momente im ewigen Kreislauf des Lebens.