Von der Kunst alleine zu reisen. Mit Rhythm & Move lande ich in Oberösterreich, im Mühlviertel, genauer im Hotel AVIVA, auch bekannt als Make Friends. Rhythmus und Bewegung, so der Name des Programms, welches für ein Wochenende einen örtlichen und zeitlichen Rahmen bekommt, zumindest für die teilnehmenden Personen. Um die Wahrheit zu sagen, mein Leben wurde bereits von Rhythmus und Bewegung erfasst. Es lebt mich, lebt durch mich.
Wie das aussieht? Ich umschreibe es für dich anhand der fünf Rhythmen.
Flow. Staccato. Chaos. Lyrical. Stillness.
Flow. Gegen 11.30 Uhr starte ich den Motor meines VW Polo, rolle die Einfahrt hinab, setze die Sonnenbrille auf die Nase und fahre los. Die Straßen sind frei, die Sicht ist klar, alles läuft wie am Schnürchen, ich bin gut gelaunt und voller Vorfreude.
Staccato. Laut Internet beginnt die erste Einheit um 17 Uhr. Das Aktivprogramm des Hotels verlautet, dass die erste Einheit um 15.30 Uhr beginnt. Ich checke gerade ein, blicke auf die Uhr. 14.50 Uhr. Oha, das wird knapp. Mein Puls beschleunigt, die Gedanken rasen, was zuerst? Raum besichtigen, Sachen aus dem Auto holen, umziehen? Kurze Absprache mit dem Rezeptionsteam. Sind alle Teilnehmer da? Ja. Wissen sie Bescheid? Ja. Ok, dann los, ich beeile mich. Kein gemütliches Füße hoch und Sonne tanken. Nein. Zumindest jetzt nicht.
Chaos. Schneller Rhythmus erfüllt den Raum. Intensiv, wechselhaft, unvorhersehbar. Wir bewegen uns. Jeder für sich und zugleich gemeinsam. Wir tanzen, springen, schütteln uns, hüpfen. Alles hat Platz. Der Kopf wird frei, der Körper ist in schneller Bewegung. Die Welle bricht. Intensives wird wieder leichter. Schnelles langsamer.
Lyrical. Ich öffne die Tür des Fitnessraums, trete hinaus auf die Terrasse, atme die kühle Abendluft, lasse Sauerstoff in den Raum strömen. Bin alleine. Blicke zurück. Na gut, vielleicht war ich nicht ganz in meiner Mitte, meiner Ruhe, als ich die Teilnehmer begrüßt habe und doch, sie haben sich darauf eingelassen, waren offen, mutig und motiviert. Passt gut. Und jetzt? Füße hoch? Schwimmen gehen? Ab ins Dampfbad? Manuela, mach langsam. Geh rauf aufs Zimmer, komm an und sei da.
Stillness. Es ist 19.15 Uhr. Ich betrete den Speisesaal, sehe mich kurz um. Die Tische sind recht voll. Gehe zuerst zum Salatbuffet. Mhhh. Frischer Rucola und Vogerlsalat. Ich lange großzügig zu, verfeinere den Salat mit Kürbiskerndressing. Erfreue mich daran und steuere mit dem Teller in der Hand auf den großen Tisch in der Mitte des Raumes zu. Bleibe stehen. Blicke ratlos. Soll ich mich alleine an einen Tisch setzen? In diesem Moment holt mich eine Stimme aus meinen Gedanken. „Suchst du einen Platz?“. Ja. Hier ist noch frei. Ich folge der Einladung, setze mich, atme durch. Blicke in eine bunt zusammengewürfelte Runde. Angekommen und da. Stille muss nicht immer still sein, manchmal ist sie einfach langsamer, ruhiger. Raum und Zeit verlieren an Bedeutung. Sogar das 5Gänge Menü wird zur Nebensache. Gespräche, offene Ohren, Interesse, Anteilnahme, Lachen und Meinungen austauschen. Auch unangemessene Bemerkungen gibt es. Hier gilt es Grenzen zu setzen, wie beim Tanzen, wie im richtigen Leben. „Wenn du nicht an deiner Grenze bist, wo bist du dann?“ soll Gabrielle Roth, die Begründerin des 5Rhythmen Tanzes immer wieder gefragt haben.
Der Tisch wird leer. Ich trinke den letzten Schluck Rotwein, leere mein Glas. Meine Sitznachbarn verstreuen sich an die Bar, auf die Alm, in die Disco. Ich bemerke, wie schwer meine Augenlider sind. Meine Bewegungen werden langsamer. Alles geschieht wie in Zeitlupe. Ich bin bereit fürs Zimmer.
Für Schlaf, Ruhe, Stille.
"In der Stille und im Alleinsein wird unser Geist klar." Diese Worte sprechen zu mir aus einem Buch. Es liegt im Zimmer auf. Die Kunst alleine zu reisen lautet der Titel, Katrin Zita heißt die Autorin.
In der Stille der Mühlviertler Nacht wird mein Geist klar. Er erinnert sich an den Flow, an die Eile, an das Chaos, die Leichtigkeit und landet wieder in der Stille.
Make Friends. Hallo meine Freunde, wollt ihr euch mit mir durchs Leben bewegen? Mit mir tanzen? Ja?
Toll, ich freue mich darauf. Freue mich auf morgen. Jetzt schließe ich meine Augen, lasse mich umarmen von der Dunkelheit, bringe Gedanken, Gefühle, meine Seele zur Ruhe.
Gute Nacht Flow! Gute Nacht Eile! Gute Nacht Chaos! Gute Nacht Leichtigkeit! Gute Nacht Stille!