Seelenblues, Regentropfen und Glücksmomente

 

3 Männer, eine Fachhochschule, eine gemeinsame Idee.

 

Gibt es Menschen, die zur richtigen Zeit, am richtigen Ort mit den richtigen Leuten zusammentreffen, eine Idee haben, sie in die Tat umsetzen, dranbleiben und dadurch die Welt ein Stück weit liebenswert machen? Wir werden sehen. Ein wenig Geduld noch.

 

Eine von Wurzeln überwucherte Granitplatte, eine Filzmatte, ein Teich im Waldviertel. Die ruhige Wasseroberfläche verändert sich. Regentropfen fallen vom Himmel. Ganz sanft und leise. Sie formen kleine Kreise. Eine dunkle Wolke schiebt sich vor die Sonne. Es wird plötzlich kühl.

 

Soll ich zusammenpacken? Aufbrechen? Oder noch abwarten?

 

Ich warte. Das Geräusch der Regentropfen an der Wasseroberfläche fasziniert mich. Ein Frosch stimmt mit seinem Gequake ein. Im angrenzenden Wald dröhnt eine Maschine. Ich trinke einen Schluck Traubensaft, ein edles Tröpfchen, einen Rose vom Mollandser Berg, Demeter zertifiziert. Eine Rarität. Süß! Exquisit! Ein Hochgenuss! Meine Geschmacksknospen jubilieren.

 

Ein Glücksmoment, trotz schwarzer Wolke.

 

 „Das Glück nimmt sich mehr Zeit für uns, wenn wir ihm mehr Zeit geben!“ Diese Worte entnehme ich den Lebensweisheiten der Grafik Werkstatt Bielefeld, zwei Kaffeetassen umrahmen den Text und zieren den Tischkalender.

 

Glück ist nach Tausenden von Jahren immer noch in aller Munde. Es philosophieren die Philosophen und neuerdings analysieren die Psychologen und diskutieren die Glücksforscher. 85 Millionen Treffen spuckt eine nicht näher genannte Suchmaschine zum Thema Glück aus.

 

Ich mische hier eine Brise Glück mit einem Moment Seelenbluse. Warum ich das mache? Weil alles im Leben zwei Seiten hat, ein eigenes Gleichgewicht besitzt, meinem aktuellen Wissensstand zufolge, wohlgemerkt. Und weil die beiden Freunde Glück und Seelenbluse gerne bei mir vorbeischauen. Manchmal kündigen sie sich an, manchmal sind sie plötzlich da, überraschend, uneingeladen, unerwartet.

 

Katrin Zita, Autorin, Coach und begeisterte Alleinreisende kennt den Seelenblues, schreibt darüber in ihrem Buch „Die Kunst alleine zu reisen“.

 

„Ich habe während des Schreibens dieses Buches Seelenschmerzen erlebt: Ein guter Freund von mir ist verstorben. Zuvor waren wir noch auf einen gemeinsamen Kaffee. Aber als wir uns mit den Worten „Bis dann, wir sehen einander bald!“ verabschiedeten, wusste ich, dass dieses nächste angedachte Treffen nicht stattfinden wird. Das habe ich tief in meiner Seele gespürt.“

 

Katrin beschreibt ehrlich und authentisch, wie sich der Seelenbluse anfühlt. „Es ist Mitternacht und in meinem Inneren fühlt es sich ebenfalls sehr dunkel an. Mein Herz ist schwer, und ich weiß in diesem Moment, dass mir eine Einheit Seelenblues bevorsteht. Ich trete ans Fenster. Das Mondlicht scheint auf die Mauern des Hotels, in das ich mich zurückgezogen habe. Der innere Schmerz zieht mir langsam und beharrlich den Magen zusammen, und ich spüre den inneren Druck, den mir dies verursacht.“

 

Das Wort Blues leitet sich von der Redewendung „i feel blue“, ich bin traurig ab. Ein Moment der Traurigkeit also. In meinem Leben kommt das auch vor. In unglücklichen Momenten kreisen über meinem Kopf schwarze Wolken, oft mischen sich Sorgen dazu, über Dinge, die nicht in mein mitfühlendes Herz passen. Meine Brille beschlägt, schränkt meine Sicht ein, die Welt wird kalt und düster. Manchmal ist es sogar, als ob ich eine dicke Wollmütze tief über mein Gesicht ziehe, um nichts zu sehen und nichts zu hören. Gelegentlich passiert dann etwas Seltsames.

 

In meinem Geist wird es still. Fast so, als ob sich hinter der seltsamen schwarzen Wolke, ein Regenbogen zeigt. Ein Regenbogen des Friedens, ein Hoffnungsschimmer.

 

Manchen wir einen kleinen Zeitsprung. Bielefeld im Jahr 1975. An der Fachhochschule treffen drei Studenten aufeinander. Reinhard Becker, Jochen Mariss und Bernd Löffler. 3 Männer, eine Idee, eine gleiche Gesinnung. Sie entwickeln Bild Text Karten, anfangs noch politisch motiviert. Sie hinterlassen damit Spuren in den Köpfen der Menschen, verkaufen sie an ihre Kommilitonen. Später hinterlassen sie auch Spuren in den Herzen der Menschen. Die Geburtsstunde der Grafikwerkstatt Bielefeld. Von Unglück ist hier nicht die Rede, traurige Geschichten schreibt das Leben woanders, Glück und Freude, kein Platz für Seelenblues.

 

Ob Reinhard Becker, Jochen Mariss und Bernd Löffler damals schon geahnt haben, wie viel Freude ich und unzählige andere Menschen an ihren Postkarten und Tischkalender haben werden? Keine Ahnung? Vielleicht hatten die drei Männer einfach Spaß am Tun, an der gemeinsamen Sache und am „Weltverbessern“.

 

Ob Katrin Zita immer noch über den Seelenblues spricht? Wer weiß? Vielleicht ist er nicht mehr da, der Blues. Vielleicht spielt das Leben nun eine andere Melodie.

 

Ob die schwarze Wolke weiß, dass sie mich letztlich doch noch verscheucht hat? Das Donnergrollen schüchtert mich ein, lässt mich zusammenpacken und aufbrechen. Ich bringe ein Dach zwischen mich und den herabstürzenden Regen, betrete mein Vorzimmer, ein Lächeln huscht mir übers Gesicht. Ein Postkartenkalender schmückt die grasgrüne Wand.

 

 „Aus dem Buch deines Lebens kannst du keine Seiten heraustrennen, aber immer wieder ein neues Kapitel beginnen.“

 

Vielleicht lässt es sich nicht heraustrennen, das Kapitel über den Blues, vielleicht lässt sich das Getose der Welt nicht leiser drehen, vielleicht ist die dunkle Wolke sogar resistent gegen positive Gedanken, aber in einem Augenblick des Friedens, kommt auch der Seelenblues zur Ruhe, verwandelt sich in einem Regentropfen, der sanft vom Himmel fällt und das Wasser in sich trägt für unzählige Wunder des Lebens.

 

Anmerkungen: Die Grafikwerkstatt Bielefeld  bringt inspirierende Gedanken mit ausgewählten Bildern zusammen. In den Lebensweisheiten. Botschaften für jeden Tag finden sich Worte voller Poesie. In diesem kleinen Sammelwerk sind die schönsten Lebensweisheiten vieler großer Denker, Philosophen und Autoren gebündelt. Begleitet von stimmungsvollen Impressionen, bereichern die wertvollen Zitate den Alltag um viele, viele Glücksmomente!